Archiv Volksentscheid

Kritik an den Argumenten von Pro Reli

Zwei Abgeordnete in der Diskussion mit Ethiklehrkräften
Zwei Abgeordnete in der Diskussion mit Ethiklehrkräften

Kritik an dem Werbeblatt für die Unterschriften von Pro Reli

„6 Gründe für Wahlfreiheit“

 

1. Die fett gedruckten Schlagwörter auf dem Unterschriftenblatt von Pro Reli genauer besehen

 

Pro Reli sagt - „Frei wählen“

Pro Reli will – in Wirklichkeit die 60 Jahre in Berlin bewährte Entscheidungsfreiheit von Eltern und religionsmündigen Schülern gegenüber dem freiwilligen Religions- bzw. Weltanschauungsunterricht beseitigen.

 

Pro Reli sagt - „Grundrechte auch in Berlin“

Pro Reli will - das seit 1949 im Grundgesetz Art 141 garantierte Grundrecht Berlins auf ein eigenes Modell eines freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterrichts abschaffen und ein Wahlpflichtfach Religion einführen.

 

Pro Reli sagt - „Berlin ist multikulturell“

Pro Reli will - die Schüler Berlins in Parallelgruppen nach verschiedenen Religionen, Konfessionen und Weltanschauungen sortieren und das auf die Integration der kulturellen Gruppen ausgerichtete gemeinsame Pflichtfach Ethik beseitigen.

 

Pro Reli sagt - „Besseres gemeinsames Lernen“

Pro Reli will -  das gemeinsame Lernen aller Schüler mit der Wertorientierung an Grundgesetz und Menschenrechten im Fach Ethik beseitigen und an seine Stelle für viele Schüler religiöse bzw. weltanschauliche Wertorientierungen setzen.

 

Pro Reli sagt-  „Werte auch für kleine Kinder“

Pro Reli will - dass Grundschulkinder, die bzw. deren Eltern sich nicht für einzelne Religionen oder Weltanschauuungen interessieren statt Freizeit künftig mehr Unterricht gezwungenermaßen besuchen müssen. 

 

Pro Reli sagt- „Diesmal gilt`s“?

Worum aber geht es hier ? Es geht Pro Reli um etwas, was die Kirchen bei keiner CDU-Regierung in Berlin bisher bekommen haben: Ein ordentliches Lehrfach Religion, versetzungserheblich und zu 100 Prozent staatlich finanziert, d.h. letzlich die Aufhebung der Trennung von Kirchen und öffentlicher Schule.

 

 

2. Genauere Überprüfung der genannten Argumente von Pro Reli

 

Pro Reli fordert und behauptet: "Jeder soll frei wählen können. Zwischen Ethik, evangelischer, islamischer und jüdischer Religion oder Weltanschauungsunterricht. Ein Zwangsfach Ethik für alle bedeutet Bevormundung."

 

Dazu ist festzustellen:

Wer das Fach Ethik, in dem eine Orientierung auf Grundgesetz und Menschenrechten erfolgt, als „Zwangsfach“ und „Bevormundung“ empfindet und eine Freiheit zur Abwahl davon fordert, zeigt damit eine mangelnde Orientierung an Grundrechten unserer demokratischen Gesellschaft und leistet der Entstehung von grundgesetzfernen Parallelgesellschaften in Berlin Vorschub.

Das Bundesverwaltungsgericht hat übrigens 1998 in seinem Urteil zum Ethikunterricht ausdrücklich festgestellt, dass die öffentliche Schule zu dieser Wertorientierung geradezu verpflichtet ist.

 

 

Pro Reli behauptet: Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen ist in Artikel 7 des Grundgesetzes garantiert. Diese Bestimmung gilt ausgerechnet in der deutschen Hauptstadt nicht.

 

Dazu ist festzustellen:

Die Berliner nutzen ihr Recht auf Religionsunterricht gemäß Grundgesetz Artikel 141 (Bremer Klausel) seit 1946. Sie nutzen aber auch ihr verfassungsmäßiges Recht, statt eines freiwilligen Religionsunterrichts in den Klassen 1-6 und 11-12 Freizeit zu wählen, ohne dass ihre Kinder zu einem „Ersatz-Pflichtfach“ nach dem Willen von Pro Reli gezwungen werden, wenn sie von ihrer Religionsfreiheit Gebrauch machen.

Wenn Pro Reli diese Wahlfreiheit der Berliner zwischen Religionsunterricht und Freizeit nun abschaffen will – und zwar von der 1. bis 12. Klasse -  dann ist es nicht weit her mit ihrem Reden von „Wahlfreiheit“.

 

 

Pro Reli sagt: „Nur die Wahlfreiheit nimmt die kulturelle Vielfalt Berlins auf. Jeder wird mit seinen kulturellen und religiösen Wurzeln ernst genommen.“

 

Dazu ist festzustellen:

Kulturelle Vielfalt erfordert gemeinsame Grundwerte und Grundnormen als einigendes Band für ein faires und friedliches Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Von einer Wertorientierung am Grundgesetz und Menschenrechten, wie sie im Ethikunterricht erfolgt, kann sich kein Bürger und auch kein Schüler abmelden. Wer diesen Eindruck erweckt, verkennt das desintegrierende Potential von Parallelgesellschaften und schadet dem grundgesetztorientierten Rechtsbewusstsein in unserer Gesellschaft.

Es gab einen sehr ernst zu nehmenden Anlass für die Einführung des gemeinsamen Faches Ethik: Dass Schüler aus einer Parallelgesellschaft in Berlin den Mord an Hatun Sürücüals sogenannten „Ehrenmord“ mit Beifall begrüßt haben.

 

 

Pro Reli behauptet: "Respekt und Toleranz gibt es aber nur, wenn man etwas über den eigenen Glauben und die eigene Weltanschauung weiß."

 

Dazu ist festzustellen:

Ein Blick in die Geschichte der Religionskriege und Nachrichten von religiös-fundamentalistisch motivierten Terroranschlägen machen deutlich, dass festes Glaubenswissen nicht zwangsläufig zu mehr Respekt und Toleranz gegenüber Andersdenkenden führen muss.

Ein Wissen über andere Glaubensvorstellungen und Weltanschauungen und besonders das Gespräch mit ihren Anhängern in einem gemeinsamen Ethikunterricht ist demgegenüber in besonderer Weise geeignet, Respekt und gegenseitige Toleranz zu fördern.
Immerhin haben aber 75% aller Grundschüler in den Klassen 1-6 über sechs Jahre Wissen über ihren Glauben oder ihre Weltanschauung erlangt, bevor mit Klasse 7 der Ethikunterricht beginnt. Pro Reli unterstellt geradezu , dass die Arbeit der Relgionslehrkräfte wirkungslos ist!

 

 

Pro Reli fordert: "Werteunterricht sollte nicht wie bisher erst in der Oberschule verpflichtend sein. Kinder brauchen so früh wie möglich Orientierung."

 

Dazu ist festzustellen:

Pro Reli verkürzt hier zum einen den Ethikunterricht auf Werteunterricht. Der Gegenstand des Faches Ethik ist jedoch breiter. In ihm wird soziales Lernen mit der Reflexion über Werte und Normen verbunden und Allgemeinbildung zu Religionen, Weltanschauungen und Kulturen vermittelt.

Wenn Pro Reli den Religionsunterricht ebenfalls als Werteunterricht bezeichnet, dann setzt sich Pro Reli deutlich von dem ab, was nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1987 - die Inhalte des jeweiligen Glaubensbekenntnisses darstellt: „Diese als  bestehende Wahrheiten zu vermitteln, ist seine Aufgabe.“ Reli ist also kein allgemeiner Unterricht zu Werten, Kulturen, Religionen und Weltanschauungen, wie Kirchenvertreter gerne behaupten.

Allgemeine Bildung zu Werten, Kulturen, Religionen und Weltanschauungen ist Gegenstand vom  Ethikunterricht.

Eine frühe Orientierung auf soziales und ethisches Lernen findet in der Grundschule in allen Fächern und im vorfachlichen Unterricht statt. Alle Lehrkräfte orientieren in Bildung und Erziehung die Kinder ab der 1. Klasse an Werten und Tugenden wie Fairness, gegenseitige Rücksicht, Friedfertigkeit und Toleranz. 
Darüber hinaus nehmen in der Grundschule  in den Klassen 1 bis 6 zusätzlich 75% aller Kinder am Religions-bzw. Weltanschauungsunterricht teil.