Archiv Volksentscheid
Kritik an den Argumenten von Pro Reli
Beispielanalysen aus der Praxis der Desinformation
1 Der Begleitbrief von Bischof Huber für eine Unterschriftensammlung gegen den gemeinsamen Ethikunterricht von 2005 / von Peter Kriesel[1]
Ein Meilenstein der Desinformationskampagne gegen den verbindlichen Ethikunterricht war das Anschreiben von Bischof Huber vom 23. März 2005 bei der Unterschriftensammlung gegen das damals geplante Pflichtfach Ethik. Der Anfang April 2005 verbreitete Aufruf der Evangelischen und Katholischen Kirche sowie der Jüdischen Gemeinde von Berlin trägt den Titel „Schülerinnen und Schüler müssen bei Werteunterricht zwischen verschiedenen gleichwertigen Angeboten wählen können“. Er wurde zusammen mit dem Anschreiben von Bischof Huber veröffentlicht und bundesweit verbreitet. Dieser Begleitbrief von Bischof Huber kann anhand des Parteitagsbeschlusses der Berliner SPD und des Beschlusses der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus auf seinen Wahrheitsgehalt hin klar überprüft werden. Für die Beurteilung dieses Briefes ist es von Belang, dass bereits vor dem Datum seiner Veröffentlichung am 4. April die zwei alternativen Anträge, die auf dem SPD-Parteitag zur Entscheidung standen, bekannt waren. Und in beiden stand, dass der Religionsunterricht nach Berliner Tradition und Rechtslage auch in Zukunft freiwillig weitergeführt und finanziell vom Land gefördert wird. Der Brief von Bischof Huber soll nun exemplarisch analysiert werden, weil er den Umgang mit der Wahrheit in dieser bundesweiten Kampagne besonders deutlich zeigt. Die Analyse des Briefes ist von besonderem Gewicht, weil sein Autor der höchste Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.
Vollständiger Text des Briefs |
Wahrheitsgehalt: Information oder Desinformation |
„Sehr geehrte Damen und Herren, |
- |
114.000 Schülerinnen und Schüler besuchen den evangelischen und katholischen Religionsunterricht in Berlin. |
wahr |
Die regierenden Parteien wollen dies in Zukunft verhindern. |
unwahr |
Der Religionsunterricht soll ein für allemal aus der Schule verbannt werden. |
unwahr |
Wie soll dies geschehen? |
- |
Man möchte einen einzigen staatlichen Werteunterricht einführen. |
wahr |
Daneben soll kein Platz für Alternativen bleiben. |
halbwahr / |
Die Religionsfreiheit in der Schule, die sich in der Wahlfreiheit von Lehrangeboten widerspiegelt, wird abgeschafft. |
unwahr |
Der Staat selbst etabliert sich als Wertevermittler. |
wahr und |
Dies ist mit Blick auf die deutsche Vergangenheit ein gefährliches und verantwortungsloses Vorgehen. |
Assoziation zu NS-Zeit und DDR/ Diffamierung |
Während die SPD diese Vorhaben auf einem „Bildungsparteitag“ im April verabschieden möchte, ist es für die PDS bereits beschlossene Sache. |
unwahr
unwahr |
Gegen diese bildungspolitische Verdrängung des Christentums aus der Schule erheben wir als Kirche unsere Stimme.“ |
unwahr wahr |
Als Kirche brauchen wir jetzt Ihre Unterstützung! Es geht um viel. Es geht um die Zukunft unserer Kinder. Ich bitte Sie daher eindringlich, den angefügten Aufruf mit Ihrer Unterschrift zu unterstützen. Ich bitte Sie, dass Sie sich unser Anliegen zu eigen machen. Weisen Sie Menschen Ihres Vertrauens auf unser Anliegen hin. Jede öffentliche Äußerung zu dem angesprochenen Thema ist derzeit von großem Gewicht.
Ihr Bischof Dr. Wolfgang Huber Berlin, den 22. März 2005 |
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[1][2] Wahr, insofern der Staat immer schon und legitimerweise Wertevermittler in der Schule in Bezug auf den Wertekonsens des Grundgesetzes und die Menschenrechte ist. Ein Blick in die ausgewiesenen Erziehungsziele der Schulgesetze, in Berlin im §1, belegt das. Unwahr, wenn die Aussage bedeutet, der Staat etabliere sich mit einem solchen Fach als Wertevermittler über Grundgesetz und Menschenrechte hinaus auch in Bezug auf andere Wertorientierungen der Schülerinnen und Schüler. Die Wertorientierung an Grundgesetz und Menschenrechten nimmt der Staat, wie allen bekannt ist, seit Gründung der Bundesrepublik wahr und in allen Fächern und „etabliert sich als Wertevermittler“ nicht erst mit einem Wertefach für alle Schüler.
Als Ergebnis der Analyse des Textes kann zusammenfassend festgehalten werden:
In 11 Sätzen hat der Christ, Bischof, EKD-Vorsitzende
und ehemalige Sozialethik-Professor 6-mal die Unwahrheit gesagt und dabei z.T. grobe Diffamierungen geäußert. Mit diesem Brief warb er bundesweit für Unterschriften unter einen Aufruf, an dem
auffällt, dass dort die Unwahrheiten des Begleitbriefes fehlen. Es wird dort lediglich nur noch von „ideologischer Engführung“ gesprochen und davon, dass
„die Grenzen eines staatlichen Bildungsmonopols in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts deutlich geworden sind.“ Der o.g. Aufruf wurde mit ca. 50.000 Unterschriften am 2. Juni 2005 der
Regierung der Stadt Berlin übergeben.
[1] Peter Kriesel ist katholischer Theologe und Bundesvorsitzender des Fachverbandes Ethik e.V.
[2] Wahr, insofern der Staat immer schon und legitimerweise Wertevermittler in der Schule in Bezug auf den Wertekonsens des Grundgesetzes und die Menschenrechte ist. Ein Blick in die ausgewiesenen Erziehungsziele der Schulgesetze, in Berlin im §1, belegt das. Unwahr, wenn die Aussage bedeutet, der Staat etabliere sich mit einem solchen Fach als Wertevermittler über Grundgesetz und Menschenrechte hinaus auch in Bezug auf andere Wertorientierungen der Schülerinnen und Schüler. Die Wertorientierung an Grundgesetz und Menschenrechten nimmt der Staat, wie allen bekannt ist, seit Gründung der Bundesrepublik wahr und in allen Fächern und „etabliert sich als Wertevermittler“ nicht erst mit einem Wertefach für alle Schüler.